Erfolgswege im digitalen Wandel
Im recharge-Interview spricht Sabine Busse, CEO der Hager Group, über die Bedeutung menschlicher Emotionen in der Digitalisierung, über Apps, die ihr Leben erleichtern, und über den Weg, der sie in diese Branche geführt hat.
Sabine Busse
Sabine Busse hat umfangreiche internationale Managementerfahrung in den Bereichen Energie, Elektro und Automation. Sie war als Corporate Officer bei Hitachi in Tokio in ihrer Funktion als Chief Marketing Officer verantwortlich für die globale Marketing- und Vertriebstransformation des Unternehmens. Bis 2021 war sie Divisionschefin des globalen Geschäftsbereichs Measurement & Analytics
von ABB und davor Senior Vice President Group Head Marketing & Sales von ABB.
Hager Group
Die Hager Group ist eine führende Anbieterin von Lösungen und Dienstleistungen für elektrotechnische Installationen in Wohn-, Gewerbe- und Industriegebäuden. Ihre Komponenten und Lösungen werden an 22 Standorten weltweit produziert und in über hundert Ländern vertrieben. Als internationales, unabhängiges Familienunternehmen hat die Hager Group ihren Hauptsitz in Deutschland.
Frau Busse, Sie haben sich in Ihrer beruflichen Laufbahn schon oft mit Transformation und künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt. Was sollte Ihrer Meinung nach weiterhin besser von Menschen als von KI erledigt werden?
Überall dort, wo Emotionen, Gefühle und Menschlichkeit gefragt sind, kann prinzipiell keine KI der Welt den Menschen die Arbeit abnehmen. Zum Beispiel eine Ärztin, die eine schwierige Nachricht überbringen, oder ein Manager, der zwischen Menschen vermitteln muss. Oder eine Mama, die ihrem Kind erklären möchte, warum es Brokkoli statt Gummibärchen essen soll. Das sind alles Themen, bei denen ich glaube, dass die KI nie ankommen wird.
Was ist KI überhaupt?
Für mich ist KI ein Werkzeug, im Prinzip so, wie es die ersten Computer, die ersten Handys waren. Am Anfang wusste man auch noch nicht genau, was das ist oder was das kann. Als ich klein war und mit meinem ersten Riesencomputer hantierte, war das noch reine Spielerei. Es war nicht klar, was man damit bewerkstelligen konnte. Erst im Laufe der Jahre haben wir gelernt, mit diesen Werkzeugen umzugehen und sie für uns zu nutzen.
Ist KI Fluch oder Segen?
Natürlich gibt es berechtigte Bedenken in Bezug auf KI, aber insgesamt würde ich sagen, dass das, was wir durch technische Innovationen, durch technische Werkzeuge – und für mich ist KI ein solches – erreichen können, positiv zu bewerten ist. Wir brauchen keine Angst vor KI zu haben, wir müssen nur lernen, damit umzugehen.
Welche technische Innovation ist aus Ihrem Leben nicht mehr wegzudenken?
Bei der Arbeit sind es ganz alltägliche Dinge wie die Online-Verfügbarkeit von Daten und Dokumenten. Früher haben wir gefaxt, heute ist alles überall abrufbar. Auf der Baustelle sind es Tablets oder Smartphones, um zum Beispiel Inbetriebnahmen vorzubereiten, für die man früher noch zahlreiche Pläne und dicke Bücher brauchte.
Und ausserhalb der Arbeitswelt?
Ich habe zwei Jahre lang in Japan gelebt. Eine technische Innovation, ohne die ich absolut aufgeschmissen gewesen wäre, sind Apps wie Google Maps oder Google Translate. Ich spreche kein Japanisch und kann keine japanischen Schriftzeichen lesen. Zum Glück konnte ich mich auf diese technischen Hilfsmittel verlassen. Auch mein E-Bike gehört zu den Innovationen, die ich privat besonders schätze. Damit bin ich in und um Cham schneller unterwegs. Ich mag auch alle möglichen Sportund Meditations-Apps. Ich bin oft auf Reisen. So kann ich, egal wo ich bin, Sport treiben. Auch im Hotelzimmer. Das ist super praktisch.
Meditieren mit einer Maschine – geht das?
Ja. Man lernt, mit einer solchen Innovation umzugehen, und kann seine Grenzen ja immer noch selbst setzen. Es gibt unzählige Meditations-Apps, darunter auch solche, die mir zu aufdringlich sind. Aber solche mit eingesprochenen Texten finde ich gut. Da stehen echte Menschen dahinter mit einer Geschichte und Expertise. Damit kann ich mich gut entspannen. Letztlich sind wir der Innovation oder der Technik nicht ausgeliefert – wir treffen immer noch selbst die Entscheidung, was das Beste für uns ist
«Wir sind der Innovation oder der Technik nicht ausgeliefert – wir treffen immer noch selbst die Entscheidung, was das Beste für uns ist.»
Der digitale Wandel kann einige überfordern und ausbremsen. Wie gehen Sie im Unternehmen mit Mitarbeitenden um,
die sich gegen diese Transformation wehren oder Angst davor haben?
Was bei uns gut funktioniert, ist, wenn ältere erfahrene Mitarbeitende mit jüngeren, oft Lernenden, als «Paar» zum Erfahrungsaustausch zusammenkommen. Beide lernen voneinander, der Wissenstransfer erfolgt in beide Richtungen. Der oder die ältere Mitarbeitende beginnt dann zu verstehen, was welche Neuerung bringt und wie er oder sie davon profitieren kann. Oft geht es dank Digitalisierung schneller oder wird es übersichtlicher. Wer den Nutzen erkennt, tut sich leichter.
Reicht das?
Nein, wir als Management sind natürlich auch gefordert, unsere Mitarbeitenden mitzunehmen und die Digitalisierung greifbar zu machen. Dazu haben wir in diesem Jahr die Hager Management Summer School mit 110 Mitarbeitenden organisiert. Vertreter*innen aus dem Topmanagement und junge Talente setzen sich für vier Tage zum Thema Digitalisierung zusammen. Wir nehmen uns diese Zeit, um zu lernen – voneinander, aber auch von Expert*innen oder Kund*innen. Wir gehen auf Learning Expedition in andere Firmen und schauen, wie sie mit Digitalisierung umgehen. Wir tasten uns spielerisch an das Thema heran, das finde ich wichtig. Wir bekommen Werkzeuge an die Hand, auch KI-Tools, die wir ausprobieren können. Der Anspruch ist, dass wir uns weiterbilden, unser Team mitnehmen und dann gemeinsam entscheiden, wo und wie wir KI im Unternehmen einsetzen. Immer mit der Kundschaft im Fokus, damit es für diese Sinn ergibt.
Sie haben an vielen Orten der Welt gearbeitet. In welchen Bereichen der Elektroinnovation ist die Schweiz im internationalen Vergleich besonders stark?
Im Bereich Smarthome ist die Schweiz vielen Ländern weit voraus. Das hat auch damit zu tun, dass es ein sehr wohlhabendes Land ist und sich die Schweizer*innen gerne mit ihren Häusern beschäftigten und dabei intelligente Systeme wollen, die gut zusammenspielen. Energieeffizienz spielt dabei eine wichtige Rolle.
Wo kann sich die Schweiz noch verbessern?
Im Bereich der Elektromobilität besteht Aufholbedarf im Vergleich zu anderen, insbesondere skandinavischen Ländern wie Schweden, Finnland und Dänemark, wo mehr Innovationen vorangetrieben werden. Das Interesse an Elektromobilität wächst jedoch stetig und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schweiz auf dem gleichen Niveau ist wie diese Länder.
Ist es auch eine Frage der Zeit, bis in der Elektroindustrie mehr Frauen als Männer Führungspositionen besetzen?
Bei Hager sind viele Führungspositionen weltweit mit Frauen besetzt. Das braucht auch Mut für ein Unternehmen in der Elektrobranche, weil es tatsächlich noch nicht selbstverständlich ist. Es ist wichtig, dass man ein sehr diverses Umfeld aufbaut. Das ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Heutzutage gibt es erfreulicherweise immer mehr solche Beispiele und es wird immer «normaler», als Frau in dieser Branche unterwegs zu sein.
Wie haben Sie Ihren Weg in diese Branche gefunden?
Ich bin eher durch Zufall in die Energiewirtschaft gekommen. Ich habe einen wirtschafts- und politwirtschaftlichen Hintergrund. Damals habe ich einfach mal angefangen, ohne zu wissen, wo das hinführt. Es zeigte sich, dass mir dieser Beruf und dieses Umfeld sehr gefielen und ich sehr viel Freude daran hatte. Ich hatte stets Menschen um mich, die mich unterstützten. Und das war und ist gerade in technischen Berufen wahnsinnig wichtig: ein Umfeld zu haben, in dem man einfach mal etwas machen kann – egal ob als Mann oder Frau. Ich hatte das Glück, in verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen diverser Unternehmen arbeiten und in verschiedenen Ländern leben zu können. Dadurch hat sich mein Weg ergeben. Und er hat mir immer sehr grosse Freude bereitet. Die Energie- und Elektrobranche ist super spannend: Aktiv an der Energiewende mitarbeiten zu können, ist ein grosser Antrieb.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Frauen geben, die eine Karriere in der Elektrobranche anstreben, insbesondere in Führungspositionen?
Einfach mal anfangen und herausfinden, was einem Freude bereitet. Wir arbeiten ja fast unser ganzes Leben lang, also sollte einem der Job Spass machen. Was auch ganz wichtig ist, gerade als Frau in der Elektrobranche: offen zu sein fürs Lernen. Aber auch offen dafür zu sein, dass man mal scheitert. Hinfallen gehört genauso dazu wie wieder aufstehen. Das gilt natürlich überall, aber in unserer Branche noch viel mehr. Manchmal wird ja fast schon erwartet, dass man es nicht schafft. Das hat mich immer wieder angespornt, weiterzumachen. Trotz Rückschlägen. Manche Erfahrungen muss man einfach machen, manches muss man selbst lernen. Der Weg mit all seinen Herausforderungen hat mich dahin geführt, wo ich heute bin, und hier bin ich gerne.