Zwischen Akustik und Elektro
Für den Berner Rockmusiker Slädu ist Musik eine universelle Sprache der Emotionen, die er schon früh beherrschte. Im Interview spricht er über die Herausforderung, seinen eigenen Weg zu gehen, über neue Möglichkeiten in der Musikindustrie und übers Vaterwerden.
Slädu
Musiker Zlatko Perica, bekannt als «Slädu», entdeckte bereits mit vierzehn Jahren seine Leidenschaft für die Gitarre und studierte später am Guitar Institute of Technology in Los Angeles. Er tourte mit Bands wie Tangerine Dream und DJ BoBo weltweit und schrieb mit Gölä national Musikgeschichte. Seine Karriere umfasst zahlreiche Auszeichnungen, erfolgreiche Alben sowie Engagements als Musikdirektor und Solokünstler, die ihm nationale wie internationale Anerkennung einbrachten.
In der aktuellen Ausgabe von recharge stellen wir KI dem menschlichen Handwerk gegenüber. Als Musiker hast du es auch mit elektronischen Hilfsmitteln zu tun. Ein einfaches Beispiel zum Vergleich: E-Gitarre vs. Akustikgitarre. Welche bevorzugst du?
Ich brauche beide gleich häufig. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum ich welches Instrument in die Hand nehme. Normalerweise ist es so: Wenn ich zu Hause bin und eine Idee habe, brauche ich «hurti» etwas, um Akkorde zu spielen, also greife ich zur Akustikgitarre. Sie steht für die klassische Lagerfeuersituation: Man kann sie überallhin mitnehmen und überall Musik machen. Für die E-Gitarre braucht man Verstärker, Kabel, Strom. Sie ist nicht das richtige Arbeitsinstrument für eine spontane Idee zu Hause auf dem Sofa. Im Grunde ist es eine Stilfrage: Auf der E-Gitarre kann ich AC/DC-Power reinbringen, wenn es rockig werden soll. Mit der Akustikgitarre kann ich stimmige Begleitmomente in Richtung Folk, Country und Latin schaffen.
«Der Mensch, der Zuhörer, verleiht einem Song die Grösse, zu der er heranwachsen kann.»
Und was hältst du von elektronischer Musik und Techno?
Elektro und Techno finde ich super! Ich bin zwar im Herzen ein Rocker und ein 80er-Kind, aber hey: Alles, was Emotionen auslöst – und wenn es Techno ist, bei dem du stundenlang voll abtanzen kannst –, ist doch einfach grossartig! In der Musik gibt es zwölf Halbtöne. Egal, wie du sie um- setzt: Es ist eine Kunstform. Die erste wirklich erfolgreiche Band, in der ich jemals gespielt habe, war die Berliner Elektroband Tangerine Dream. Mit ihr war ich auf Welttournee, habe drei Studioalben aufgenommen und wurde mehrfach für den Grammy nominiert. Das waren vier «Giele» an Synthesizern und ich an der Gitarre. Dort habe ich die ersten Verbindungen zwischen Tradition und Elektronik hergestellt: Ich habe Jimi Hendrix’ «Purple Haze» für sie arrangiert und in ihre Musik integriert. Dafür gab es eine Grammy-Nominierung. Schon damals habe ich verschiede- ne Richtungen miteinander verbunden. Also: Ich habe überhaupt keine Berührungsängste mit anderen Musikstilen.
Du hast schon mit vierzehn Jahren Gitarre gespielt. Welche Instrumente haben dich sonst noch durch deine Kindheit und Jugend begleitet?
Nachdem ich in der Schule wie alle anderen Blockflöte gelernt hatte (was natürlich völlig uncool war), verdonnerte mich meine Mutter zum Klavierunterricht. Auch das fand ich damals doof. Beim Klavierspielen kannst du nicht posen wie ein Rockstar, du musst einfach dasitzen. Nichtsdestotrotz habe ich schnell gemerkt, dass Musik für mich eine Sprache ist, die ich sehr gut verstehe. Als ich dann später Rockgrössen wie Jimi Hendrix, Led Zeppelin und Van Halen bewunderte, war klar: Ich will Gitarre spielen. Mit vierzehn habe ich angefangen und schnell Fortschritte gemacht. Ich wusste: Musik und ich, das passt zusammen. Ich habe Vollgas gegeben und ein paar Jahre später, mit neunzehn, ging ich nach Amerika, um Musik zu studieren.
Du hast alles auf eine Karte gesetzt. Und es ist aufgegangen. Musstest du dich damals rechtfertigen, dass du nicht den klassischen Berufsweg gegangen bist, sondern etwas ganz anderes gemacht hast?
Für meine Mutter war es am Anfang sehr schwer. Sie ist als Alleinerziehende mit einem kleinen Kind als Secondo in die Schweiz gekommen und hat so viel in mich und mein Wohlergehen investiert. Und ausgerechnet ich wollte mich nicht an das Schweizer System anpassen. Als ich sagte: «Das ist mir alles zu blöd, ich werde Musiker», brach für sie eine Welt zusammen. Als sie aber merkte, dass ich das wirklich will, unterstützte sie mich sehr. Ich gab meiner Mutter damals ein Versprechen: dass ich sie niemals enttäuschen würde. Und dass ich es schaffen würde. Das habe ich gespürt. Am Ende kam es, wie es kommen musste, und es kam gut. Aber es gab viele Tränen.
Wie gehst du vor, wenn du ein Lied schreibst?
Das hängt sehr von der Situation ab. Wenn mir zum Beispiel beim Wandern eine Melodie einfällt, zücke ich mein Handy, singe sie und speichere sie als Audioaufnahme. Wenn ich zu Hause bin und eine Idee habe, nehme ich ein Stück Papier und schreibe eine Textzeile auf. Der Weg von zu Hause ins Studio ist sehr kurz. Ich kann also schnell ins Studio gehen, die Gitarre in die Hand nehmen und den Song oder Teile davon aufnehmen.
Was inspiriert dich beim Songschreiben?
Das Leben an sich. Mich berühren und inspirieren Menschen und ihre Geschichten. Wenn ich an meine Mutter denke, an meine Frau oder an mein Kind, das bald auf die Welt kommen wird, dann weckt das echte Emotionen, die mich prägen. Natürlich kann auch eine schöne Umgebung inspirieren, aber ganz ehrlich: Ich habe schon die besten Songs an einem grauen, kalten Tag geschrieben. Es kommt darauf an, was du im Kopf hast und was dich bewegt.
Hast du schon mal ein Lied mit ChatGPT geschrieben?
Ja, ich habe es schon ausprobiert und damit gespielt. Aber ich schreibe die Songs lieber selbst und benutze die Tools als Inspiration oder als Hilfestellung. Ich bin froh, dass es solche Tools gibt. Ich komme noch aus einem Zeitalter, da gab es Vinyl, kein MP3. Heute kann ich meine Songs unkompliziert elektronisch verschicken und dank der Digitalisierung habe ich schon Jobs über Menschen erhalten, die ich nie gesehen habe. Dank diesen Tools kann ich Geld verdienen. Man kann es also durchaus positiv nutzen.
«Mein Leben in einem Song? It’s Only Rock ’n’ Roll (But I Like It).»
Gibt es auch negative Aspekte?
Klar, zum Beispiel illegale Downloads. Und die Gefahr ist gross, dass Writers irgendwann gar keinen Wert mehr haben, sondern Texte vermehrt durch KI entstehen. Das halte ich für gefährlich. Es gibt jetzt die ersten Alben, die komplett mit KI entstanden sind. Der Produzent Bob Rock produziert mithilfe von KI gerade ein komplettes Album für die Rockband Mötley Crüe. Monatelange Songwriting-Sessions mit der Band entfallen. Ich kann mir das noch gar nicht richtig vorstellen. Ich bin gespannt auf das Album.
Was macht für dich einen wirklich guten Song aus?
Immer das Gleiche: Emotion. Musik ist Emotion. Es muss kein bestimmter Stil sein: Je nach Tag trifft dich ein Lied, von dem du es nie gedacht hättest, mitten ins Herz.
Deine Biografie ist beeindruckend. Du hast viele erfolgreiche Musikprojekte und Musiker*innen begleitet. Welche Begegnung oder welches Projekt ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Da gibt es natürlich viele. Ich habe viele Schweizer Künstler*innen erlebt, bevor sie berühmt wurden. Generell kann man sagen, dass alles, was man zum ersten Mal erlebt, etwas Besonderes ist. Die erste Amerika-Tournee mit Tangerine Dream, als ich 23 war. Oder als ich mit Gölä die erste Goldene Schallplatte an die Wand hängen konnte. Oder mit DJ BoBo das erste Mal in der Kölnarena vor 18 000 Leuten mit der ersten Liveband zu spielen. Solche Momente vergisst man nicht. Sie prägen dich und sind das Fundament, auf dem alles andere aufbaut.
Wie ist es, wenn du deine Songs zum ersten Mal in der Öffentlichkeit hörst?
Ich weiss noch genau, wo ich war, als «Schwan» von Gölä zum ersten Mal im Radio gespielt wurde. Das war 1998 im Berner Wankdorf im «Migros Do it» an der Information. Den Moment, als ich mein Gitarrensolo hörte, werde ich nie vergessen. Auch als ich letztes Jahr beim Autofahren zum ersten Mal meinen eigenen Song «Hie bi üs» hörte, war ich gerührt. Das bleibt etwas Besonderes, auch wenn man schon lange im Musikgeschäft ist.
Bekommst du oft Fanpost?
Kürzlich habe ich einen fünfseitigen Fanbrief erhalten – so etwas habe ich noch nie erlebt. Ein Mann hat seine ganze Lebensgeschichte niedergeschrieben und was mein Lied für ihn bedeutet. In diesem Moment bekommen die Lieder einen ganz neuen Wert. Der Mensch, der Zuhörer, verleiht einem Song die Grösse, zu der er heranwachsen kann. Das ist es, was Musik ausmacht.
«Ich bin zwar im Herzen ein Rocker, aber hey: Alles, was Emotionen auslöst – und wenn es Techno ist –, ist doch einfach grossartig!»
Dein Leben in einem Song:
Es gibt einen Satz von den Rolling Stones, den ich so einfach finde, der aber wirklich alles sagt: «It’s only rock and roll, but I like it.» Und ja: Auch mein Leben ist Rock and Roll und ich liebe es.
An welchem Projekt arbeitest du gerade?
Nachdem ich lange Zeit andere Bands unterstützt, Songs für sie geschrieben und produziert hatte, veröffentlichte ich letztes Jahr meinen ersten eigenen Song, bei dem ich zum ersten Mal selbst sang. Um ehrlich zu sein, ist es ein Ausprobieren. Momentan schreibe ich weitere Songs und schaue, was ich noch in der Schublade habe. Über allem steht natürlich: Vater werden. Ich freue mich sehr auf meine neue Rolle als Papi und werde alles andere hintanstellen.
Slädu verabschiedet sich und verschwindet in sein Studio, um Aufnahmen zu machen. «Ich glaube, ich habe den nächsten Hit. Das wird ein richtiger Knaller. Mal schauen, was die Plattenfirma dazu meint …»